Cloudage


Marie sah im Rückspiegel erschrocken auf die dunklen Wolken, die über dem Hafen immer weiter hoch in den Himmel stiegen. Sie konnte nicht sprechen - sie war immer noch so beeindruckt von der gewaltigen Explosion, die sie mit ausgelöst hatte. Na ja, eigentlich musste sie nur das Fluchtfahrzeug fahren - aber es kam natürlich anders, als gedacht. Sem tobte auf dem Fahrersitz: "Das darf doch alles nicht wahr sein, die haben uns von vorn bis hinten belogen! Von wegen, wir setzen das Zeichen für eine Zukunft ohne Öl - ich glaube wir haben gerade unsere Zukunft verbrannt!".

Marie schluckte, "was wenn Sem recht hatte ..."?. Sem kam aus Utrecht und war einer ihrer Kommilitonen den Sie vor etlichen Jahren auf der UvA kennengelernt hatte. Vor allem das gemeinsame Engagement für den Umwelt- und Klimaschutz schweißte sie zusammen. Fast jede Woche organisierten sie kleinere und größere Störaktionen im Großraum Rotterdam. Bis Sem eines Tages eine erwartungsvolle Mine aufsetze und zu ihr sagte: "Ich habe jemanden kennengelernt - jemanden von Cloud".

Als sie die Autobahn verließen und auf die Landstraße Richtung Amsterdam einbogen sahen Sie von weitem den Qualm. Als sie näher kamen bestätigte sich ihre Vermutung: auch die alte Lagerhalle, die ihnen zwischenzeitlich als Treffpunkt und Unterschlupf diente stand in Flammen. Als Marie den Wagen auf den Schotterparkplatz lenkte sprang Sem mit einem Satz aus dem Auto. „Mach jetzt keinen Scheiß Sem“, schrie Marie hinter ihm her. „Ich will heute nicht noch jemanden verlieren“, aber Sem hörte Sie schon nicht mehr.

Wenn ihr jetzt wissen wollt, wie die Geschichte von Marie und Sem weiterging klickt einfach hier: Eine Geschichte in der Welt von Cloudage. Allen anderen sei gesagt: die Geschichte ging nicht gut aus, denn jetzt - 15 Jahre später finden wir uns in einer dystopischen Einöde wieder. Und zwar in Cloudage von Alexander Pfister und Arno Steinwender. In dem Spiel für ein bis sechs Personen versuchen wir mit unseren Luftschiffen Ressourcen zu sammeln, Städte von den Cloud Milizen zu befreien und Teile der Wüstenlandschaft wieder urbar zu machen. Könnt ihr in dieser Welt mit dem ständigen Mangel an Wasser bestehen?

Dystopie out of the box

Für den ersten Aufbau sollte auf jeden Fall etwas Zeit und ordentlich Platz auf dem Spieltisch eingeplant werden. Cloudage bringt neben jeder Menge Material auch einige basteltechnische Herausforderungen mit sich. So müssen die Hüllen der Stadtkarten mit Wolkenaufklebern bearbeitet werden (womit wir aber im Gegensatz zu anderen gar nicht so viele Probleme hatten). Die Anleitung zeigt ausführlich wie die Szenarien aufgebaut werden. Das erste Szenario dient der Einführung und enthält weniger Spielelemente als die weiteren Szenarien.

Start your engines

Cloudage wird je nach Anzahl der Spieler und Szenario/Kampagne in sechs bis acht Runden gespielt. Jede Runde besteht dabei aus drei verschiedenen Phasen:

  1. Die Produktionsphase
  2. Die Bewegungsphase
  3. Die Aktionsphase

In der Produktionsphase überprüft der Startspieler, ob eine Buchaktion, die auf den Story- und Szenariokarten abgebildet sind ausgeführt werden muss. Im Anschluss kann gesammelte Energie auf dem Produktionsplan in Wasser oder Siegpunkte umgewandelt werden. Dann deckt jeder Spieler zwei Karten von seinem Navigationsdeck auf. Die niedrigere kann direkt in Energie oder Projektkarten umgewandelt werden. Die höhere Navigationskarte bestimmt die Anzahl unserer Bewegungen in der nächsten Phase. Der Stapel mit den Navigationskarten wächst im Verlauf des Spiels. Sollte er mal leer sein wird die Ablage einfach wieder gemischt.

Into the wild

In der Bewegungsphase werden die Luftschiffe beginnend mit dem Startspieler über den Spielplan bewegt. Die Reichweite wird durch die Navigationskarte aus der Produktionsphase bestimmt. Zusätzliche Bewegungsmöglichkeiten gibt es über die Solaranlage des Luftschiffs und über installierte Erweiterungen. Der Zug endet immer auf einem Stadtfeld. Besucht man die Stadt zum ersten Mal kann man sich überlegen, ob man gegen die unten tobende Cloud Miliz kämpfen möchte. Die Kampfstärke ist auf dem Spielplan angegeben. Hat man sich für einen Kampf entschieden zählt die Kampfstärke auf den ausliegenden Projektkarten und die Erweiterungen, die man am Luftschiff montiert hat. Um die Stärke weiter zu erhöhen kann man auch Energie oder Siegpunkte einsetzen. War der Kampf erfolgreich bekommt man die angegebene Beute auf der Stadt. Zum Abschluss der Bewegungsphase wird ein viereckiger Marker vom Luftschifftableau auf die Stadt gelegt, auf der das Luftschiff steht. In den Städten auf denen ein Marker liegt kann in einer späteren Runde nicht mehr gekämpft werden - ein Besuch ist aber möglich.

Till the bitter end

In der Aktionsphase wird es Zeit für unsere Drohnen. Diese platzieren wir auf dem Stadtplan um Ressourcen zu sammeln, zu bauen, oder um Jungpflanzen einzusetzen. Der Startspieler der Runde bestimmt dabei welche Aktion ausgeführt wird. Um Ressourcen zu sammeln wird unsere Drohne auf des gewünschte Feld in einer der drei ausliegenden Städte gestellt. Da die Städte durch die Wolken zu einem Großteil verdeckt sind kann man nur erahnen, was sich für Rohstoffen dort verbergen. Schienen und ein See deuten da wahrscheinlich auf Wasser und Eisen hin. Alle anderen Spieler platzieren ihre Drohnen ebenfalls auf einem freien Feld in der gewählten Stadt. Nachdem die Karte aus der Hülle genommen ist, werden die Rohstoffe und Updates verteilt. Der Startspieler übernimmt die Stadtkarte als zusätzliche Karte in sein Navigationsdeck.

Entscheidet sich der aktive Spieler für die Aktion Bauen darf er bis zu zwei Bauaktionen ausführen. Dabei kann entweder das Luftschiff weiter ausgebaut werden um Kampfkraft, Reichweite und Setzvorrichtung auszubauen, oder eine Projektkarte gespielt werden. Projektkarten bringen einmalige oder auch dauerhafte Effekte. Ab dem zweiten Szenario können auch Jungpflanzen eingesetzt werden. Die Anzahl der Setzvorrichtungen am Luftschiff entscheidet, wie viele Jungpflanzen maximal gesetzt werden dürfen. Für jedes Plättchen erhält der Spieler die abgebildete Belohnung. Die Plättchen kommen anschließend auf den Spielplan, oder gehen in den Beutel zurück.

Project Hope

Cloudage bietet neben den drei verschiedene Szenarios auch einen Kampagnenmodus. Im Kampagnenmodus kommen im Laufe der sieben Kapitel neue Missionsziele und Legacy Plättchen ins Spiel. Gesteuert wird der Modus über die Storykarten, die die Geschichte vorgeben und hoffentlich alles zu einem guten Ende führen. Sobald ein Kapitel erfolgreich beendet ist kann der Spielstand in Form des Materials gespeichert werden. Kampagne und Szenarios können auch Solo gespielt werden. Dabei gibt es nur kleine Änderungen an den Regeln und die Zahl der Siegpunkte entscheidet, ob man für die Welt von Cloudage gewappnet ist.

Die wahre Dystopie?

Das Wort Dystopie ist für mich ein persönlicher Trigger, wenn es um Filme und erst recht, wenn es um Brettspiele geht. Daher hatte ich natürlich hohe Erwartungen an Cloudage und das Spiel wurde ungesehen aufgrund der ersten Pressemeldung vorbestellt. Auf der spielerischen Seite sind die Erwartungen voll erfüllt worden. Das Spiel bietet eine tolle Verzahnung unterschiedlichster Spielmechanismen. Besonders gut gelungen sind die verhüllten Stadtkarten in denen es Rohstoffe zu entdecken gibt. Diese sind dem Thema entsprechend durch Wolken bedeckt und lassen nur erahnen, was es dort für uns zu holen gibt. An zahlreichen Stellen gibt es Möglichkeiten unsere Luftschiff zu optimieren und damit unsere taktischen Fähigkeiten zu erweitern. Um eine Runde sicher für sich zu entscheiden ist aber auch immer ein wenig Glück notwendig.

Eine ganz grundsätzliche Sache, die das Spiel meiner Meinung nach besonders gut hinbekommt ist das Gefühl, dass alle gemeinsam ein Brettspiel spielen. Hört sich erstmal trivial an, aber bei vielen kompetetiven Spielen wird eher nebeneinander als miteinander gespielt. Cloudage erreicht das dadurch, dass in den einzelnen Spielphasen immer alle Spieler zum Zug kommen. Der Startspieler gibt dabei in der Aktionsphase vor, was gemacht wird.

Sobald die Regeln nach den ersten Runden sitzen ist eine Partie schnell gespielt. Dabei ist das Spiel weitaus weniger komplex als es vielleicht vom ersten Eindruck her scheint und eignet sich durchaus für die ambitionierte Familie, die mal etwas komplexeres spielen möchte.

Leider ist die Hintergrundgeschichte für meinen Geschmack etwas zu kurz gekommen. Deswegen musste kurzerhand eine eigene kleine Geschichte her, denn nach wie vor ist das Thema toll. Dystopie mit einer Prise Steampunk schreit förmlich nach Geschichten, die erzählt werden wollen. Dabei darf natürlich kritisch gefragt werden, wie viel davon in ein Brettspiel gehört. Das kann nur jeder für sich selber entscheiden.

Und Marie? Fünfzehn Jahre nach dem Anschlag auf den Ölhafen in Rotterdam ist sie immer noch politisch aktiv - allerdings nicht mehr auf der Seite von Cloud.

Spieleranzahl: 1-6 | Alter: 10+ | Spieldauer: 60 Minuten | Erscheinungsjahr: 2020
Autoren: Alexander Pfister und Arno Steinwender | Illustration: Christian Opperer | Verlag: Nanox Games e.U. | Vertrieb: dlp games Verlag GmbH

  • 4 doppelseitige Spielplanteile
  • 1 Produktionsplan
  • 1 doppelseitiger Stadtplan
  • 1 Soloplan
  • 1 Startspielermarker
  • 39 Stadtkarten
  • 38 Storykarten
  • 12 Missionskarten
  • 79 Projektkarten
  • 3 Szenariokarten
  • 6 Wolkenhüllen
  • 40 Jungpflanzen
  • 1 Stoffbeutel
  • 36 Wasser, 12 Wasserplättchen
  • 28 Metall, 8 Metallplättchen
  • 52 Spielermarker
  • 28 Navigationsstartkarten
  • 4 Luftschiffe
  • 4 Luftschifftableaus mit jeweils 10 Upgrades

Die gesetzlose Gruppierung „Cloud“ hat mit einem weltweit koordinierten Schlag zahlreiche Ölanlagen sabotiert. Die Folge war eine Umweltkatastrophe mit verheerenden Auswirkungen für den ganzen Planeten. Fünfzehn Jahre nach diesem Inferno fliegt ihr in euren Luftschiffen über ausgetrocknete Landstriche. Auf der Suche nach einem besseren Leben, bereist ihr Städte, schickt Drohnen aus, um Ressourcen zu sammeln, und kämpft gegen die Cloud-Milizen.

Der innovative Sleeve-Mechanismus ermöglicht eine neue, immersive Form der Ressourcenbeschaffung. Ihr versucht, abzuschätzen, in welchem von Wolken bedeckten Gebiet eine gewünschte Menge Ressourcen zu finden ist und wo Zusatzaktionen möglich sind. Mithilfe der Ressourcen entwickelt ihr nützliche Upgrades für euer Luftschiff oder heuert neue Crewmitglieder an.

CloudAge ist eine Komposition aus Engine-Building, Deck-Building und Ressourcenmanagement. Das Kampagnensystem bietet einen schnellen Einstieg in das Spiel. Mit Fortschreiten der Kapitel werden zusätzliche Spielelemente integriert. Ihr erlebt und steuert dabei die Geschichte aktiv. Alternativ zur Kampagne könnt ihr eigenständige Spin-offs der Geschichte als Szenarios spielen.

kompetitiv Area-Control Ressourcenmanagement Engine Building Dystopie Analoge Spiele
01.08.2021 - user://Stefan

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